Test – Conception II
03.06.2014
Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Bei uns Europäern zumindest. Schaut man rüber zu unseren Freunden der aufgehenden Sonne müssen Geschmäcker noch viel mehr verschiedener sein. Egal ob Humor oder Kunst, Lebenstil oder Kultur: Entweder wir sind hierzulande davon begeistert oder eben nicht. In so eine Kategorie fällt sicherlich auch Conception II – Children of the Seven Stars aus dem Rollenspiel-Meisterschmiede Atlus. Der Humor und das Thema des Spiels passen mal wieder in das typisch westliche Bild Japans. Seit dem 14. Mai ist der von Spike Chunsoft entwickelte Titel via Download für 39,99 Euro bei uns erhältlich. Ob Conception II auch eure PS Vita umgarnen sollte, das erfahrt ihr hier.
Sieben auf einem Streich
Die Welt von Conception II befindet sich in der Klemme: Sie wird von Dusk-Monstern und ihren Nestern bedroht. Um die aus den mysteriösen Kreisen entkommenden Monster aufzuhalten, wurde eine Akademie gegründet, die speziell dafür trainierte Kämpfer ausbildet. Diese wurden von dem Gott der Welt mit einer erhöhten Menge an Ether gesegnet, dem Gegenteil von Dusk, und sind nichts anderes als Teenager zwischen dem 16. und 18. Lebensjahr. Dieser Segen kommt ähnlich wie die Pubertät unerwartet; Eines Tages erscheint ein Zeichen auf dem Handrücken, welches die besondere Gabe nun offen legt.
Eurem namenlosen aber mit eigener Stimme versehenen Hauptcharakter wurde ein solches Zeichen gewährt. Sein erklärtes Ziel ist es, aufgrund eines Kindheitserlebnisses, Rache an den Monstern zu nehmen. Als einziger Mensch ist er dabei in der Lage, so viel Ether zu produzieren, dass er mit anderen Kämpfern die Labyrinthe dieser sogenannten Circles betreten kann, um den dort hausenden Spawner als Ursprung des Übels auszuschalten . Er ist der Auserwählte, das Geschenk Gottes oder auch nur G.G., auf den die Menschheit sehr lange wartete. Für den bevorstehenden Kampf werden ihm sieben Kämpferinnen zugeordnet. Die Damen sind dabei an typischen Anime-Klischees orientiert, haben aber dennoch einen eigenen Charakter und Probleme, die der G.G. im Rahmen der Story aufdecken kann oder nicht. Im Laufe der Story wandeln sich einige Charaktere und zeigen deutliche Tendenzen auf ein vertieftes Profil bei der Charaktergestaltung. So werden verschlossene Charaktere nicht generell offener, zeigen aber im Verlauf des Geschehens in einigen Bereichen mehr Offenheit. Andere Charaktere werden verschlossener z.B. im Thema Forschungsarbeiten aber erzählen sonst sehr bereitwillig von ihrem Leben. Der erste männliche Freund des G.G. „Chlotz“ ist dabei ein wahres Prachtexemplar. Der zu Beginn sorglos wirkende Heitermann lernt recht schnell die Vielschichtigkeit des Lebens kennen und entwickelt seinen eigenen Ehrgeiz und eine eigene Art mit der bedrohlichen Situation umzugehen. Alle Charaktere wirken realistisch und haben ihre eigenen Vorlieben und Abneigungen. Dadurch erhält die Story eine schöne Tiefe.
Schule und Jagd
Conception II unterscheidet zwischen mehreren Orten. Die Akademie dient euch als Stützpunkt. Hier könnt ihr Einkaufen, Trainieren, Quests annehmen und abgeben, mit den Heldinnen sprechen und noch einiges mehr. Letzteres ist notwendig, um die Beziehung zueinander zu verbessern. Für die Kommunikation stehen euch drei Herzen als „Energie“ zur Verfügung. Sind die drei Herzen aufgebraucht, so müsst ihr sie erneuern, indem ihr schlaft oder ein Labyrinth besucht. Die Tatsache, dass ihr immer schlafen könnt, macht die gesamte Energiemechanik an und für sich unnötig. Sobald ihr eure Vorbereitung abgeschlossen habt, könnt ihr in ein Labyrinth reisen. Diese werden nach und nach freigeschalten. Wie in jedem Rollenspiel gibt es abseits der Story einige optionale Aufgaben, bei denen ihr besondere Items erlangen könnt, die im weiteren Spielfortschritt sehr hilfreich sind. Um einen Circle zu befrieden, muss der Boss des Labyrinths besiegt werden. Zu diesem müsst ihr euch aber erst durchkämpfen. Hier greift man auf materialisierte aber formlose Gegner zurück. Geht man sie von Hinten an, so gibt es einen Kampfvorteil, erwischen sie euch von Hinten, erhaltet ihr einen Kampfnachteil. Im Kampf wird je nach Geschwindigkeit des Teams agiert. Ihr und eure „Star Children“ – weitere Ausführungen zu diesen im nächsten Absatz – könnt euch bei jedem Zug neu um einen Gegner sortieren, um die Schwachstelle des Gegners zu attackieren. Angreifer machen hier Bonusschaden. Es kann aber pro Feld nur ein Team und das G.G./Heldin-Team stehen. Die Star Children können verschiedene Klassen haben und es steht euch frei, ein Team aufzustellen. Sowohl rohe Gewalt als auch geschicktes Ausnutzen von Gegnerschwächen führen zum Erfolg. Das Kampfsystem ist dank dem Tutorial sehr einfach zu verstehen und bietet viel Platz für Strategie. Leider wird das Kämpfen durch viele gleiche Gegnertypen und Stellenweise etwas zu leichten Dungeons etwas eintönig. Besonders wenn man nur eine Heldin auflevelt, erreicht man schneller einen Zustand, welches die ersten Level des Labyrinths aufgrund der passiven Fähigkeit von G.G. die schwache Gegner automatisch tötet und nur aus dem Suchen des Ausgangs bestehen. In späteren Levels ist der Einsatz von fortgeschrittenen Taktiken, dem Chaining- und dem Density-System, für eine schnelle Angriffsfolge ohne Eingreifen der Gegner notwendig. Nicht nur schnellere Gegner können ein ernsthaftes Problem darstellen. Später greifen die Monster mehrere Felder gleichzeitig an, nutzen Schwachstellen eures Teams direkt aus und nutzen eigene Techniken, um euch zu verlangsamen oder mit anderen Statuseffekten zu versehen. Ein schlecht durchgeführter Zug kann dann schon mal in einer Salve von Angriffen der Gegner enden, die eure Zuggeschwindigkeit minimiert. Durch das Verketten der richtigen Gegner versetzt ihr diese an das Ende der Zugfolge und könnt ihnen zusätzlichen Schaden austeilen. Eure schnell leidende Dichte könnt ihr durch das schnelle Ausschalten von Gegnern oder der Verwendung der besonderen Fähigkeit des G.G. stark steigen lassen. Durch die erhöhten Stufen werden eure Charaktere im Kampf schneller. Dies verbessert das Spielsystem stark, auch wenn die geringe Gegnervielfalt störend bleibt. Eure Motivation wird daher bei den 30 bis 70 Stunden Spielzeit öfter auf die Probe gestellt.
Zeit für Classmating
Zurück zu den Star Children und der Frage, was diese sind und woher sie kommen. Was sie sind, ist leicht zu beantworten: Es sind Geister mit der Macht von Kriegern. Diese werden durch Puppen in die reale Welt geholt. Sie können sich aber nur in Form von Kindern materialisieren, weshalb ihr Verhalten auch sehr kindlich ist. Star Children müssen durch die Verbindung zweier starker Ether-Quellen gezeugt werden. Dafür notwendig ist ein „Star-Womb“. Das Ritual, Classmating genannt, kann natürlich nur zwischen einem männlichen Kadetten und einer hochrangigen Kadettin stattfinden, also insbesondere von G.G. und den sieben Heldinnen. Hier tritt auch die Komik des Spiels in Kraft. Man erfährt im Laufe des Spiels immer wieder unterschiedliche Tatsachen. Einerseits behauptet das Spiel, dass einfache Berührungen, üblicherweise Händchen halten und sich auf den Partner konzentrieren reicht, andererseits machen einige andere Charaktere und der Titel Anspielung auf Geschlechtsverkehr. Dargestellt ist nur die umrisshaft nackt dargestellte Heldin, die nach der Hand des G.G. greift. Wobei die Szenen mit steigender Nähe zur Heldin länger und anspielender werden, wobei das Spiel keine deutlichen Szenen enthält. Ob eine gewisse Grenze überschritten ist, bleibt wohl jedem Spieler selbst überlassen. Je stärker die Bindung des G.G. zur Heldin und je höher die eigenen Level sind, desto stärker wird das Star Child. Im Kampf kann sich eine Gruppe von Star Children in einen Kampfroboter verwandeln und so die Kampfkraft verstärken. Wer genug von einem seiner Star Children hat oder einfach stärkere möchte, der kann seine alten Zöglinge unabhängig werden lassen. Hierdurch verbessert sich die Stadt und es werden neben neuen Gebäuden auch neue Quests und Einkaufswaren freigeschaltet. Hier bietet Conception II wirklich eine eigenwillige Art des Gameplays, die für einige vielleicht geschmacklos wirkt. Das Spiel nimmt sich an dieser Stelle zwar wenig ernst, wenn ihr aber ein Problem mit dieser Art der Darstellung habt, dann empfehle ich hier schon einmal dieses Spiel zu umfahren.
Spiel den Anime
Das Spiel ist komplett im Anime-Stil gehalten. Besonders gut gestaltet sind die Zwischensequenzen und Charaktere. Diese könnten genauso gut aus einem Anime herausgeschnitten sein. Die vielen Charaktermodelle geben den Eindruck, dass die Akademie auch viele Kadetten hat. Die grafische Leistung toppt andere Atlus-Titel auf der PS Vita und gerade die Gespräche mit den Heldinnen sind sehr realistisch und natürlich gestaltet und zumeist auch vollständig vertont. Wenn die Synchronsprecher mal länger zum Einsatz kommen, meist gibt es nur einen kurzen Einzeiler, dann wirkt Conception II perfekt wie die Folge aus einem Anime, auch wenn G.G. eigentlich immer bei seinen Einzeilern bleibt. Auch die Dungeons haben eine immer unterschiedliche und ansprechende Gestaltung. Allerdings nur die ersten zwei bis drei Stockwerke, ab dann flacht die doch immer gleiche Gestaltung pro Dungeon ab. Auch die zweidimensionalen Hintergrundbilder der Szenen stechen mit ihrer Gestaltung und Detailgenauigkeit hervor. Soundtechnisch legt Conception II mit einigen sehr schönen Liedern nach, die auch immer sehr gut zur Situation passen und auch einen hohen Wiedererkennungswert haben. Die Grafik passt nicht immer ganz dazu, da sie wie beschrieben an einigen Stellen teilweise stark repetitiv wirkt.
Fazit: Conception II ist eigentlich ein sehr gelungenes Spiel. Von der grafischen Präsentation und der Story reiht es sich in die anderen Toptitel von Atlus ein. Was beim Generemix von Dating-Simulation und RPG etwas flach viel, war die Gegnervielfalt und die Abwechslung im Kampfsystem. Später holt das Spiel einiges mit einem höheren Schwierigkeitsgrad nach, reicht aber kaum an andere Rollenspiele seiner Zeit. Kritisch wird es vor allem bei den ständig vorhandenen, sexuellen Anspielungen mit den Teenagern, was in unserer Gesellschaft ein absolutes Tabu-Thema ist. Dennoch bietet Conception II einiges an Spielspaß, aber eben mit dem faden Beigeschmack.
Für große Animeliebhaber ist Conception II ein wirklich empfehlenswerter Titel. Hier kommt man auf alle Kosten eines Animes. Wer kein Problem mit der eigenwilligen Darstellung hat und nicht ein zwingend komplexes und anspruchsvolles RPG erwartet, der sollte auch einmal bei Conception II vorbeischauen. Alle anderen sollten unbedingt in die Demo reinschauen, die umfassende Einblicke ins Spiel gewährt, bevor sie zuschlagen wollen.