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Test – Three Fourths Home

Test – Three Fourths Home

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Positiv
80% - 89%

Unser erster Eindruck war

Unsere Bewertung

Vorschau

21.12.2015

Wenn Visual Novels die Bücher unter den Spielen sind, dann gibt es nicht nur lange interaktive Geschichten, sondern auch kleinere. Three Fourths Home: Extended Edition ist eine solche kleine Geschichte, die Finalist beim Independent Game Festival 2015 war. Das Spiel hat es, nachdem es im März bereits für den PC erschienen ist, jetzt am neunten Dezember auch auf der PS Vita geschafft. Ob die Geschichte so fesselt, wie ein gutes Buch, erfahrt ihr in der Vorschau.

Kurze Geschichte

Three Fourths Home: Extended Edition ist definitiv kein langes Spiel. Das Spiel ist in knapp anderthalb bis zwei Stunden mehr als fertig. Ihr habt jedes zusätzliche Schriftstück gelesen und sowohl die Hauptstory und den Epilog gespielt. Normalerweise ist die Spielzeit ein wichtiger Aspekt, aber Three Fourths Home ist das spieletechnische Äquivalent zu einer Kurzgeschichte – nicht mal ich wäre an dieser Stelle grausam genug den Deutschunterricht zur Kurzgeschichte zu wiederholen, glaubt mir einfach, dass es die typischen Merkmale einer Kurzgeschichte erfüllt.

In Three Fourths Home spielt ihr Kelly, welche gerade wieder zu Hause bei ihren Eltern eingezogen ist. Der gesamte Hauptteil des Spiels spielt sich auf einer Straße in Nebraska ab, in der ihr nur das Telefonat steuert. Während man nach und nach mit den Familienmitgliedern spricht, erfährt man mehr von der tragischen Geschichte des Orts und der Familie. Was genau die Situation in der Familie ist, verrät das Spiel nie direkt. Vielleicht wird es mit dem Epilog und den zusätzlichen Inhalten genauer, aber das Spiel gibt nur wenig Details zum Leben der Familienmitglieder. Wie ihr die Informationsbruchstücke kombiniert, bleibt dabei euch überlassen. Gerade das macht das Spiel so persönlich ansprechend. Lasst ihr euch darauf ein, die Story im Kopf weiterzuspinnen, so könnt ihr unterschiedlich tragische Geschichten erleben.

Unangenehme Rückfahrt

Das gesamte Spiel findet auf einer einzigen geraden Straße irgendwo in Nebraska statt. Beginnt ihr die Erzählung, so wird euch direkt auffallen, dass die Steuerung sagen wir interessant gewählt wurde. Um zu fahren, müsst ihr konstant die rechte Seite des Rückseitentouchpads berühren. Tut ihr es nicht, bleibt ihr stehen, die Welt wird in Zeitlupe dargestellt und das Gespräch geht nicht weiter. Mit andauerndem Gespräch ist diese Haltung, insbesondere bei der Auswahl der Gesprächsoptionen mit dem digitalen Steuerkreuz, dem „Weiterblättern“ mit der R-Taste und der Bestätigung mit der X-Taste, etwas verkrampft. Es ist schwierig zu sagen, ob diese verkrampfte Haltung nun gut oder schlecht ist. Einerseits macht es das Spielen etwas komplizierter, aber der Gedanke der dahinter steckt, ist interessant. Mit andauernder Spieldauer wird es zusehend anstrengender diese Haltung unverkrampft zu halten, parallel dazu wird immer mehr von den Sorgen und den Problemen der Familie enthüllt. Durch das Spielen erlebt man mit, wie schwer es für Kelly sein muss, dem Gespräch weiter zu folgen und nach Hause zu fahren. Es bleibt aber ihr und euch keine andere Wahl, als weiterzumachen und euch der Wahrheit zu stellen. Ob bewusst oder unbewusst wird somit eine mehr als nur reale Situation kreiert. Das Gewicht der Situation wird somit eher bewusst und die Handlung bekommt mehr Tiefe und zieht den Spieler ins Geschehen, ohne dass dieser viel erreichen kann.

Einfache Grafik

Grafisch präsentiert sich Three Fourths Home relativ einfach. Die Welt ist schwarz und weiß. Während der Fahrt kommt ihr an sehr vielen Feldern, einer Schule und anderen Umgebungen vorbei. Viel wird aber im Laufe des Spiels von einem auftretendem Sturm und Regen verdeckt. Die Umgebung ist viel weniger visuelle Ablenkung oder eine Auflockerung zum Lesen, auch die Umgebung Nebraskas dient einzig und allein der Verdeutlichung des Gesprächsverlaufs. Die verschiedenen emotionalen Stufen, die ihr im Verlauf des Gesprächs passieren werdet, finden sich auch im Hintergrund. Einerseits die offensichtliche Darstellung der Schule, wenn sie ihm Gespräch auftaucht und andererseits die verdeckte Darstellung der Einsamkeit und Sorgen in Form der fehlenden Zivilisation und des schlechter werderenden Wetters. Jedes Element in Three Fourths Home dient nur der Darstellung und Vertiefung der Geschichte. Das gelingt sehr gut und gefällt mir auch. Hier haben sich die Entwickler Gedanken gemacht und jedes Medium zur Übertragung des Inhalts und Aufrechterhaltens der Kurzgeschichtenform.

Zwischenfazit: Three Fourths Home ist ein interessantes Konzept für eine Kurzgeschichte. Während Actual Sunlight sich mehr auf den erlebenden Aspekt der Geschichte konzentriert hat, zeigt das Spiel von Bracketgames mehr die erzählerische Komponente. Die Problematik des Gesprächs ist dabei perfekt an die Steuerung angelegt. Die Steuerung ist zwar etwas gewöhnungsbedürftig, aber sie erfüllt ihren Zweck mehr als gut. Das dahinter liegende Konzept und die feinfühlige Art, wie die Geschichte sich bisher präsentiert, zeigen das Verständnis der Schreiber für die Situation. Bisher bin ich recht zufrieden mit dem was ich erlebt habe, aber ich bin gespannt, ob das Spiel auch mehrere Runden übersteht oder meine Antworten nichts wert sind.

Test

10.01.2016

Nach knapp drei Stunden habe ich das Spiel durchforstet. Neben den beiden Episoden aus Kelly’s Leben habe ich mir auch die zusätzlichen Dokumente angeschaut und noch eine kleine Extrarunde gedreht, um herauszufinden, wie die Geschichte sich verändert, wenn ich meine Antworten ändere.

Ein Thema mehrere Geschichten

Bereits in der Vorschau habe ich die Frage aufgeworfen, ob meine Antworten den Verlauf der Geschichte beeinflussen. Die Antwort ist „Ja“ und „Nein“. Die Antworten, die man im Verlauf der Autofahrt wählt verändern nie das Thema der Geschichte. Egal was ihr antwortet, euer Gesprächspartner wird das Grundthema und damit die grundlegende Ebene des Gesprächs nie verlassen. Es gibt nur wenige Stellen in der Hauptgeschichte wo dies deutlich wird, aber es geschieht. Innerhalb des Konzepts könnt ihr euch aber frei bewegen. Ihr könnt das Verhältnis der Familie untereinander z.B. eher zerrüttet oder freundschaftlicher darstellen oder bestimmte Themen ausweichend behandeln. Hier reagieren die Gesprächspartner auch direkt auf die Auswahl der Antwort und verfolgen keinen festgelegten Gesprächsfaden.

Der Epilog

Der Epilog des Spiels fängt bereits mit einer sehr interessanten Neuerung an: die Steuerung ist anders. Statt das virtuelle „Gaspedal“ zu drücken, steuert ihr nun Kelly direkter. Dabei gilt aber dasselbe Grundprinzip: Bleibt ihr stehen, so stoppt die Geschichte. Ich muss absichtlich auf eine genauere zeitliche Einsortierung des Epilogs verzichten, weil dies ein wichtiger Teil des Gesamtkonzepts bleibt. Aber auch hier müsst ihr euch einem unangenehmen Gespräch stellen, in der etwas mehr von den Gesamtumständen von Kelly enthüllt werden. Dabei erlaubt euch das Spiel etwas weniger Freiraum und zwingt euch schneller auf einen engeren Themenkomplex. Das schwächt das Erlebnis aber nicht ab. Die interessante Art und Weise eine Geschichte zu erzählen bleibt gleich. Auch wenn hier der Fokus mehr auf Offenbarung der Umstände liegt, fehlt es nicht an Möglichkeiten sich selbst einzubringen.

Bracketgames legt auch hier wieder Wert darauf, dass alle Aspekte des Spiels der Geschichte dienen. Aus dem bedrohlichen Sturm wird hier ein stärker werdender Schneefall und aus der Autofahrt das Warten auf den Bus. Natürlich liegt der Grund dafür in der Geschichte und der Thematik selbst, deren Darstellung aber nicht nur etwas den Rahmen sprengen, sondern auch das Erlebnis ruinieren würde.

Ein Körnchen Wahrheit

Der letzte abschließende Aspekt des Spiels sind die kleinen Texte, die die Story noch etwas weiter ergänzen. Viel werde ich nicht dazu sagen, weil diese aus gutem Grund größtenteils außerhalb der Geschichte präsentiert werden. Sie geben euch einen etwas tieferen Einblick in die Familie rund um eure Protagonistin. Dieser Blick lohnt sich aber wirklich erst, wenn ihr die beiden Geschichten durch habt und die einzelnen Storyelemente noch etwas mehr verknüpfen wollt.

Fazit

Fazit: Three Fourths Home arbeitet sehr stark an der Grenze zwischen Spiel und Geschichte. Diese Gradwanderung erlaubt einige interessante Einblicke in die spielerische Form der Kurzgeschichte, die ich so noch nicht erlebt habe. Was ich erlebt habe, ist aber definitiv eine sehr schön geschriebene Kurzgeschichte und ein interessantes Spiel. Insbesondere die Mischung aus Wetter, Umgebung und Steuerung um die Stimmung des Spielers der Situation im Spiel anzupassen, ist faszinierend konsequent umgesetzt worden. Für den minimalen Gameplayaspekt ist seine Tragkraft enorm und wird eigentlich nur von der sehr gut geschriebenen Story überboten. Natürlich ist sie relativ einfach gestrickt, dieses kleine Manko ist aber Teil ihres Charmes. Am Ende füllt ihr die Lücken, die euch bracketgames hinterlassen habt und zwar mit euren eigenen Vorstellungen, Ideen und Interpretationen.

Für all diejenigen, die nach einer guten Geschichte suchen ist 3/4th Home eine absolute Empfehlung. Wenn euch das wenig ausgeprägte Spielsystem und das viele Lesen nicht stört, kann ich die tolle Erzählung auch nur wärmstens empfehlen.

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